7 Fragen zum Verpflegungskonzept
Interview mit Sonja Fahmy, Ansprechpartnerin für den Fachbereich Kitaverpflegung bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V.
1. Frau Fahmy, warum empfehlen Sie Kitas die Erstellung eines Verpflegungskonzeptes?
Weil es die tägliche Arbeit erleichtert! Warum ist dies so?
Die Verpflegung in Kitas nimmt aufgrund der Betreuungszeiten einen erheblichen Zeitraum im Tagesablauf ein. Kinder erhalten teilweise mehr als drei Mahlzeiten in der Einrichtung. Ein Verpflegungskonzept beschreibt detailliert, wie Essen und Trinken in der Einrichtung bzw. beim Träger gelebt werden. Diese schriftliche Darstellung bietet Transparenz für alle Beteiligten, ist ein Instrument der Qualitätsentwicklung und gleichzeitig auch eine Art Handlungsanleitung für die Mitarbeitenden. Analog eines pädagogischen Konzepts sollte das Verpflegungskonzept ein fester Bestandteil für Kitas bzw. Träger sein.
2. Wie sollte ein Kita-Team bei der Entwicklung vorgehen? Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach sinnvoll und welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?
Mich erreichen häufig Anfragen mit der Bitte, ob ich nicht ein Verpflegungskonzept schreiben könnte bzw. ob es nicht eine Vorlage hierzu gibt. Meist begegne ich diesen Anfragen mit der Aufforderung, einmal einen ganz normalen Essalltag in der Kita zu beschreiben. Schnell wird dann klar: Essen und Trinken gehört in der Kita jeden Tag dazu. Es gibt verschiedene Mahlzeiten, ein bestimmtes Angebot an Lebensmitten, unterschiedliche Regelungen, Zuständigkeiten etc. Dies bedeutet, in der Realität ist schon ganz viel vorhanden, was bis dato aber noch nicht verschriftlicht wurde. Genau dies ist der Ansatzpunkt.
Zunächst sollte das Bestehende in Form einer IST-Analyse zusammengefasst werden. Diese IST-Analyse ist quasi der Startpunkt, um daraus ein individuelles Verpflegungskonzept zu entwickeln. Individuell bedeutet, dass Kitas bzw. Träger die eigenen Strukturen und Gegebenheiten vor Ort im Blick haben müssen. Gleichzeitig zeigt die IST-Analyse, dass viele Aspekte schon berücksichtigt sind. Fragen zum Ablauf der Mittagsmahlzeit, zur Organisation des Frühstücks usw. sind täglicher Bestandteil und sind somit implementiert. Diese Erkenntnis ist motivierend für die Beteiligten, weil sie nicht bei Null anfangen. Apropos Beteiligte: Ein Verpflegungskonzept zu entwickeln ist nicht zwingend die alleinige Aufgabe der Kita-Leitung. Vielmehr sollte dies im Team, am besten mit Beteiligung der Eltern, geschehen.
Bei der Entwicklung eines Verpflegungskonzepts kann eine Gliederung in einzelne Handlungsfelder wie z. B. die Küche/der Essensanbieter, Mahlzeitenstrukturen, Kommunikation mit Eltern, Lebensmittelangebot etc. helfen. Anhand dieser Handlungsfelder können Einrichtungen dann ihre Aktivitäten rund um das Thema darstellen und um Maßnahmen zur Ernährungsbildung ergänzen.
Kitas bzw. Träger stehen nicht alleine vor der Herausforderung. Die bundesweiten Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung bieten mit ihrem breiten Portfolio Unterstützung bei der Erstellung eines Verpflegungskonzepts an. Gleichzeitig hilft der DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kitas. Er definiert alle Aspekte und liefert Hintergrundinformationen rund um eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Kitaverpflegung. Egal, ob es um Fragen der optimalen Lebensmittelauswahl zum Frühstück und der Mittagsmahlzeit geht oder den Einsatz von Convenienceprodukten – der DGE-Qualitätsstandard liefert hierzu Antworten, die in das eigene Verpflegungskonzept integriert werden können. Rückmeldungen seitens Kitas bestätigen uns, dass dies eine große Hilfestellung ist, weil hier alle relevanten Aspekte berücksichtigt sind und dies eine weitere Fachrecherche erspart.
3. Welche Aspekte sollten in einem Verpflegungskonzept thematisiert werden?
Ein Verpflegungskonzept sollte alle Punkte aufweisen, die den Ess- und Trinkalltag in der Kita transparent darstellen. Wie schon zuvor erwähnt, hilft eine Gliederung in unterschiedliche Handlungsfelder. Damit hat man automatisch eine Struktur mit der gearbeitet werden kann.
Zunächst einmal sollte eine feste Ansprechperson benannt werden, die alle Belange rund ums Essen und Trinken aufnimmt und ggf. an die entsprechenden Verantwortlichen weitergibt. Davon partizipieren die Kitas sowie Eltern gleichermaßen.
Ein weiterer Punkt ist die Darstellung des Verpflegungssystems. Dies bedeutet, dass das Verpflegungskonzept transparent aufzeigen sollte, wer die einzelnen Mahlzeiten zubereitet. Wird die Kita beliefert von einem Tiefkühlanbieter und die Speisen werden in der Einrichtung regeneriert? Kocht die Einrichtung selbst? Gibt es eine Zentralküche?
Desweitern sollte das Verpflegungskonzept konkrete Angaben zu den verschiedenen Aspekten der Mahlzeiten machen. Frühstück, Zwischenmahlzeiten und Mittagessen sollten so genau wie möglich beschrieben werden. Das betrifft einmal das Angebot auf dem Teller, aber auch die Mahlzeitenstrukturen, wie z. B gibt es ein offenes Frühstück oder ein geschlossenes Frühstücksangebot, wie sind die Essenszeiten geregelt etc.
Nicht zuletzt bietet das Verpflegungskonzept auch die Möglichkeit, das Mahlzeitenangebot bei Festen und Feierlichkeiten, die Elternbeteiligung oder auch den Umgang mit Lebensmittelunverträglichkeiten und Allergien darzustellen.
Ein Verpflegungskonzept ist sehr individuell und kita- bzw. trägerspezifisch. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Wichtig ist, dass ein Verpflegungskonzept gemeinsam getragen und umgesetzt wird. Eine theoretische Abhandlung, die die Praxis nicht widerspiegelt, führt zur Unsicherheiten bei allen Beteiligten.
4. Die Qualität der Verpflegung in der Einrichtung darzustellen ist das Eine – die Esssituation und Begleitung der Mahlzeiten das Andere. Welche konkreten Tipps zur kindgerechten Gestaltung der Atmosphäre bei Tisch würden Sie Kitas mit auf den Weg geben?
Auch hier sind die individuellen Strukturen und Gegebenheiten vor Ort wichtig. Selbstverständlich sollten Esssituationen sowie die Begleitung der Mahlzeiten auch in einem Verpflegungskonzept soweit wie möglich aufgeführt und beschrieben werden. Sind dies doch Aspekte, die erheblichen Einfluss auf die Atmosphäre am Tisch und somit auch auf die Akzeptanz des Angebots haben.
Generell unterscheidet sich die Esssituation bei Kindern nicht so sehr von der Esssituation bei Erwachsenen. Ruhe und Zeit sind wichtige Faktoren, damit Essen und Trinken Freude macht. Der Tisch sollte ansprechend gedeckt sein. Jahreszeitliche Dekoration ist nicht nur nett anzusehen, sondern vermittelt den Kindern auch den Jahreskreislauf sowie die Besonderheiten von bestimmte Festen wie z. B. Weihnachten oder Ostern. Kindgerechtes Geschirr und Besteck sollten selbstverständlich sein. Nur so können Kinder lernen, richtig damit umzugehen. Tischregeln sind wichtig, um z. B. den Geräuschpegel zu reduzieren. Dies bedeutet aber nicht, dass Kinder während der Mahlzeit nicht reden dürfen. Ganz im Gegenteil: Mahlzeiten sind auch immer Austausch- und Kommunikationszeiten – egal, ob in der Familie oder in der Kita. Gleichzeitig sind sie auch Orte, an denen viele unterschiedliche Dinge gelernt und gefördert werden und die weit über das reine „Sattwerden“ hinausgehen. Sei es die Förderung der Feinmotorik, der Selbstständigkeit oder auch der Rücksichtnahme auf die Tischnachbarn. Es ist wichtig, dass Essen und Trinken immer von pädagogischen Personal professionell begleitet werden. Neben der reinen Betreuung sind Essenszeiten immer auch Bildungszeiten.
5. Wo sehen Sie Unterschiede bzw. Schnittmengen zum pädagogischen Konzept?
Ich beobachte, dass ein pädagogisches Konzept eigentlich selbstverständlich für eine Kita bzw. für einen Träger ist. Es beinhaltet alle wichtigen Elemente, die die Arbeit und das Leitbild der Kita darstellen. Es dient der Kommunikation extern z. B. mit der Elternschaft und gleichzeitig auch intern z. B. als Instrument der Qualitätssicherung. Ein Verpflegungskonzept als solches findet man noch nicht so häufig in Kitas – trotz dass sie Frühstück, Zwischenmahlzeiten und Mittagessen anbieten. Dabei kann das Verpflegungskonzept in das pädagogische Konzept integriert werden. Das heißt, es kann ein Bestandteil des pädagogischen Konzepts sein. Dies verdeutlicht direkt, dass Ernährungsbildung nicht nur während der Mahlzeiten stattfindet, sondern ein fester Bestandteil des pädagogischen Alltags ist. Ein Beispiel: Ein Beet im Garten mit Salat, Kräutern etc. bietet Raum, um Pflanzen zu beobachten, zu entdecken und zu verstehen, dass diese Pflege für das Wachstum brauchen. Dies fördert das Verständnis für natürliche Prozesse, die Kinder direkt miterleben. Gleichzeitig erfahren sie etwas über den Jahreskreislauf. Bei den Mahlzeiten können sie dann die Pflanzen mit ihren Sinnen wahrnehmen, schmecken, riechen und fühlen. Das Beet im Garten ist somit einmal ein fester Bestandteil des pädagogischen Konzepts und zum anderen ein Bereich der Ernährungsbildung. Solche Schnittstellen gibt es viele in Kitas und werden teilweise auch schon sehr gut gelebt.
6. Welche Vorteile bietet ein solches Konzept?
Ein Verpflegungskonzept hat viele Vorteile. Wie schon anfangs beschrieben, erleichtert es die Arbeit im Kita-Alltag. Auch wenn dies anfänglich nicht so erscheint, weil zunächst die Dinge verschriftlicht werden müssen. So zeigt sich aber im Alltag, dass viele Fragen genau durch diese Verschriftlichung schnell geklärt werden. Des Weiteren bietet ein Verpflegungskonzept einen sicheren Handlungsrahmen für alle Beteiligten – egal ob Eltern, hauswirtschaftliches Personal oder auch neue Kolleginnen und Kollegen. Es schafft Transparenz, Sicherheit im Tun und Handeln sowie Verlässlichkeit. Definierte Kriterien machen es zu einem Instrument der Qualitätsentwicklung sowie Qualitätssicherung. Nicht zuletzt verdeutlicht ein Verpflegungskonzept, dass viele Akteurinnen und Akteure rund um das Thema Essen und Trinken beteiligt sind und die Kita sich hier als ein gemeinsames Team versteht. Ein Verpflegungskonzept ist immer, analog zum pädagogischen Konzept, ein „Aushängeschild“ für die Kita oder den Träger, da es den professionellen Umgang mit dem Thema Verpflegung widerspiegelt.
7. Wie wichtig ist in diesem Kontext das Thema Elternkommunikation?
Ich würde sagen, dass ein Verpflegungskonzept für die Elternkommunikation sehr wichtig ist. Viele Kinder verbringen einen Großteil des Tages in der Kita und nehmen dort Mahlzeiten ein. Für Eltern ist es wichtig zu wissen, was es zu Essen gibt, wie die Ess-Situationen gestaltet sind und schlussendlich, dass ihr Kind gut versorgt ist. Auch Informationen zu Festen und Feierlichkeiten, ggf. Schwerpunkte im Rahmen der Verpflegung sowie der Umgang mit Süßigkeiten oder Allergien sind wichtige Aspekte für Eltern. Ein Verpflegungskonzept schafft hier Klarheit, Verlässlichkeit und Vertrauen. Die Eltern wissen genau, wie der Ess-Alltag in der Kita abläuft.
Selbstverständlich ersetzt das Verpflegungskonzept nicht die Kommunikation mit den Eltern. Auch hier bleiben die sogenannten Tür-und-Angel-Gespräche wichtig, um ganz alltägliche Esssituationen zu erläutern oder auch Besonderheiten zu kommunizieren. Eltern sind der wichtigste Erziehungspartner für Kitas. Daher ist hier die Zusammenarbeit elementar. Optimal ist es, wenn das Angebot zu Hause das Verpflegungsangebot in der Kita ergänzt.
Auch dies zeigt, ein Verpflegungskonzept bietet für Eltern sowie die Kita viele Vorteile, von denen am Ende die Kinder profitieren.
Das Team der Kitavernetzungsstelle sagt herzlich danke für Ihren wertvollen Beitrag.
Tipp: Eine Checkliste kann hilfreich sein und Kita-Teams oder Kindertagespflegepersonen bei der Entwicklung eines Verpflegungskonzeptes unterstützen. Weitere Anregungen sind in der Rubrik verpflegen von A – Z nachzulesen.