Siegel-sicher?! Nährwertkennzeichnung verstehen

Frau im Supermarkt schaut sich den Nutri Score auf einer Verpackung an

7 Fragen an Constanze Rubach vom Team Lebensmittel und Ernährung | Verbraucherzentrale Niedersachsen

1. Frau Rubach, bitte erläutern Sie uns, wodurch Kitamitarbeitende etwas über Nährwerte in verpackten Lebensmitteln erfahren?

Auf jedem verpackten Lebensmittel ist seit Ende 2016 eine Nährwertkennzeichnung – bis auf wenige Ausnahmen – verpflichtend abgebildet. Dies regelt die Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV). Bei dieser Kennzeichnung müssen Nährwertgehalte über den Energiegehalt sowie über den Gehalt an Fett/ davon gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate/ davon Zucker, Eiweiß und Salz pro 100 g bzw. pro 100 ml Lebensmittel angegeben werden.

In Tabellenform werden diese sogenannten „Big 7“ als wichtigste Nährstoffe in der Regel auf der Rückseite der Verpackung aufgelistet und können durch weitere Angaben zu folgenden Stoffen ergänzt werden: einfach ungesättigte Fettsäuren, mehrfach ungesättigte Fettsäuren, mehrwertige Alkohole, Stärke, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe.

Es gibt jedoch auch einige Lebensmittel, die von der verpflichtenden Nährwertdeklaration ausgenommen sind. Dazu zählen unverarbeitete Produkte, die nur aus einer Zutat oder Zutatenklasse bestehen wie Gemüse und Obst, Mehl und Reis, Kuhmilch, Kräuter, Gewürze, bestimmte Teesorten sowie Getränke mit mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol. Auch unverpackte Lebensmittel sind von der Nährwertkennzeichnung befreit.  

2. Nun sieht man im Supermarkt immer wieder eine fünfstufige Farbskala, kombiniert mit Buchstaben, auf der Vorderseite von Verpackungen. Was hat es damit auf sich?

Verbraucherinnen und Verbrauchern fällt es mitunter schwer zu beurteilen, was die Zusammensetzung der Nährwerte überhaupt bedeutet. Deshalb wurde eine zusätzliche Nährwertkennzeichnung eingeführt: Der Nutri-Score. Er soll dabei helfen, das Nährwertverhältnis eines verarbeiteten Produkts auf einen Blick zu beurteilen. Auch Verpflegungsverantwortlichen in Kitas und der Kindertagespflege kann er eine gute und schnelle Orientierung bieten.

Der Nutri-Score sollte jedoch nicht als allgemeine gesundheitsbezogene Angabe verstanden werden. Ein Produkt, das anhand des Nutri-Scores positiv bewertet wird, spricht nicht automatisch für eine gesunde Ernährungsweise. Es kommt vielmehr auf die Kombination mit anderen Lebensmitteln an.

Das zusätzliche Bewertungssystem wurde ursprünglich in Frankreich entwickelt und dort als freiwillige Kennzeichnung im Jahr 2017 eingeführt. Seit 2020 ist er nun auch in Deutschland auf dem Vormarsch, bleibt aber auch hier vorerst freiwillig.

Der Score besteht aus einer fünfstufigen, farblichen Nährwertkennzeichnung von einem grünen A bis zu einem roten E und bewertet, wie gut der Nährwert eines Lebensmittels im Vergleich zu anderen Lebensmitteln derselben Kategorie abschneidet. So können z. B. verschiedene Müslis miteinander verglichen werden, um auf einen Blick zu erkennen, welches davon am ausgewogensten ist. Für den Vergleich eines Müslis mit einer ganz anderen Lebensmittelkategorie wie zum Beispiel einer Tiefkühlpizza ist er jedoch nicht gedacht. Trotzdem können Produkte auch zu einer Kategorie zählen, die Alternativen für spezifische Verzehrsgelegenheiten darstellen. So ist es möglich eine Käse-Variation mit einer Süßspeise zu vergleichen, die als Dessert serviert wird. Positiv bewertete Alternativen einer Kategorie erhalten ein dunkelgrünes A oder grünes B. Im mittleren Bereich gibt es ein gelbes C und eher unausgewogene, sehr süße oder fetthaltige Produkte werden mit einem orangenen D oder rotem E bewertet.

Außerdem darf ein Unternehmen nicht nur die positiv bewerteten Produkte mit dem Logo versehen, sondern ist nach spätestens zwei Jahren dazu verpflichtet, die gesamte Produktpalette mit dem Nutri-Score zu kennzeichnen.

3. Auf welcher Basis wird der Nutri-Score denn berechnet?

Der Nutri-Score wird durch ein Punktesystem berechnet. Dieses System bewertet „gute" und „schlechte" Inhaltsstoffe eines Lebensmittels. Es gibt vier negativ bewertete Komponenten: Energiegehalt (Brennwert), Gesamtzucker, gesättigte Fettsäuren und Natrium – als Bestandteil des Speisesalzes. Diesen gegenüber stehen drei positiv bewertete Komponenten: Proteine, Ballaststoffe und der Obst-, Gemüse- und Nussanteil. Die „negativen“ Bestandteile werden auf einer Skala zwischen null und zehn Punkten bewertet. Die „positiven“ Inhaltsstoffe haben eine Punktwertung zwischen null und fünf Punkten. Somit fallen die ungünstigen Nährstoffe stärker ins Gewicht als die günstigen. Die Punktwertungen ergeben sich durch die in 100 Gramm enthaltene Menge des jeweiligen Bestandteils. Für Getränke gibt es einen alternativen Bewertungsmaßstab.

Im nächsten Schritt wird die Punktzahl der „positiven“ Inhaltsstoffe von der Punktzahl der „negativen“ Inhaltstoffe abgezogen. Je kleiner die Gesamtpunktzahl schließlich ausfällt, desto besser wird das Produkt auf dem Nutri-Score bewertet.

Möchte ein Unternehmen den Nutri-Score auf einem Produkt abbilden, muss es sich zunächst bei der französischen Gesundheitsbehörde Santé publique France anmelden. Diese hat den Nutri-Score als Marke registriert und kontrolliert die richtige Verwendung der Skala. Denn die Berechnung führt der Hersteller nach vorgeschriebenen und einheitlichen Vorgaben selbst durch.

4. Für welche Lebensmittel ist die Kennzeichnung mittels Nutri-Score gedacht?

Der Nutri-Score ist zur Kennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln gedacht.

Gerade verarbeitete Lebensmittel enthalten zum Teil viel versteckte Zucker, Salz oder Fett. Das kann zwar auch auf der Rückseite des Produkts in der eingangs erwähnten Nährwerttabelle abgelesen werden. Allerdings sagt das alleine nicht viel darüber aus, ob das nun vergleichsweise viel oder wenig bzw. gut oder schlecht zu bewerten ist.

Für unverarbeitete Lebensmittel oder Produkte, die nur aus einer Zutat bestehen, ist der Nutri-Score nicht gedacht. Das Kennzeichnungselement soll vielmehr einen Vergleich der Nährstoffzusammensetzung von Lebensmitteln bieten und hat nicht zum Ziel, nährwertfremde Aspekte wie den Verarbeitungsgrad oder die Art der Verpackung zu berücksichtigen. Pürierte Frucht- und Gemüsemischungen für Kinder in Quetschbeuteln schneiden beispielsweise überwiegend mit einem positiven A ab. Die Fachgemeinschaft ist sich jedoch einig, dass sie aufgrund ihrer Darbietung keineswegs zu Aspekten der Ernährungsbildung und zu einem gesunden Essverhalten beitragen.  

5. Welche Vorteile bringt dieses zusätzliche Logo beim Einkauf von Lebensmitteln?

  • Der Nutri-Score bietet eine leicht verständliche und schnelle Orientierung. Auch wissenschaftliche Studien bestätigen, dass das Logo eine sinnvolle Ergänzung darstellt, um Lebensmittel innerhalb einer Kategorie einfacher zu vergleichen und ihren nährstoffbezogenen Wert zu erkennen.
  • Welches Müsli oder welche Tiefkühlpizza unterschiedlicher Anbieter oder Sorten ist also die bessere Wahl? Das lässt sich auf einen Blick mit dem Nutri-Score erkennen.
  • Zusätzlich soll der Nutri-Score als Anreiz für die Lebensmittelindustrie dienen, Rezepturen zu überarbeiten und Nährwerte ausgewogener zu gestalten, um sich der Konkurrenz gegenüber zu profilieren. Denn im Gegensatz zur Nährwerttabelle muss das Logo des Nutri-Scores immer auf der Vorderseite der Produktverpackung abgedruckt sein.

6. Keine Regel ohne Ausnahme!? Welche Schwachstellen birgt der Nutri-Score?

  • Der Score ist ein sehr vereinfachtes Bewertungssystem und berücksichtigt nicht alle wertgebenden Inhaltsstoffe, zum Beispiel Vitamine, Mineralstoffe oder ungesättigte Fettsäuren. Dadurch besteht die Gefahr, dass hochverarbeitete Lebensmittel besser bewertet werden als naturbelassene Produkte.
  • Zahlreiche Zusatzstoffe, wie Geschmacksverstärker, Süßstoffe oder Aromen, berücksichtigt der Nutri-Score nicht. Unternehmen könnten den Nutri-Score auf ihren Produkten durch Tricksen kostengünstig verbessern, indem sie mehr Zusatzstoffe einsetzen, um beispielsweise den Fettanteil zu verringern oder den Zuckergehalt mit Süßstoffen auszugleichen. Die entsprechenden Produkte sind dadurch aber nicht als gesünder zu bewerten.
  • Regionale Herkunft, ökologischer Anbau, ein klimaschonender CO2-Abdruck oder faire Produktionsbedingungen sind im Nutri-Score nicht integriert.
  • Die Kennzeichnung basiert in Deutschland und der EU auf Freiwilligkeit. Da der Nutri-Score bisher nur von manchen Lebensmittelunternehmen übernommen wurde, ist der Vergleich zwischen verschiedenen Produkten nicht immer möglich. Deshalb braucht es ein einheitliches, europaweites System, das für alle Hersteller Pflicht ist.
  • Nicht immer können alle Inhaltsstoffe, die der Nutri-Score berücksichtigt (z. B. Anteil an Gemüse, Obst und Nüssen) auf dem Etikett nachgelesen werden. Als Verbraucherin oder als Verbraucher ist es somit oft nicht möglich, die Berechnung nachzuvollziehen, und es sind zusätzliche Angaben des Herstellers notwendig.

7. Wo findet man den Nutri-Score bereits?

Vorreiter der Branche in Sachen Nutri-Score waren beispielsweise die Lebensmittelunternehmen Alpro, Bofrost, Bonduelle, Danone, Harry Brot, Iglo, McCain, Mestemacher, Nestlé und Rewe. Mittlerweile haben sich über 560 Unternehmen, die in Deutschland ansässig sind, für die Verwendung des Nutri-Scores registriert. Auch die Verbraucherzentrale Hamburg konnte auf rund 1000 Produkten das Logo ausfindig machen. Der Score war sowohl auf Webseiten als auch auf den Verpackungen direkt zu finden. Insgesamt ist eine steigende Tendenz zu erwarten.

Über das Team Ernährung & Lebensmittel bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen

Zu weiteren Themen rund um Ernährung und Lebensmittel können Sie sich auf den Webseiten der Verbraucherzentrale Niedersachsen informieren und beraten lassen. Für die Lebenswelt Kita bieten wir zudem u. a. zielgruppenorientierte Beratung oder aktuelle Vortragsthemen an.