Bildungsanlass
Übersicht
Ernährungsbildung ist ein lebensbegleitender Prozess, und prägende Weichen für (späteres) Essverhalten werden bereits im Säuglings- und Kleinkindalter gestellt. Ernährungsbildung findet zum großen Teil in alltäglichen Situationen statt – kann aber auch geplant und bewusst in Lernanlässen erfolgen.
Auf einen Blick
- Ernährungsbildung ist Bestandteil der Förderung des Kindes in Bezug auf körperliche, geistige, emotionale, seelische und soziale Entwicklung.
- Informelle Anlässe der Ernährungsbildung sind ungeplant und finden im Alltag nebenher statt, zum Beispiel beim Händewaschen vor dem Essen, in Tischgesprächen und beim Benutzen des Bestecks.
- Formale Anlässe der Ernährungsbildung sind geplant und zielgerichtet; sie werden bewusst von der Kindertagespflegeperson herbeigeführt, wie zum Beispiel gärtnerische Aktionen oder Ausflüge zum Wochenmarkt.
Im Gespräch mit Kindertagespflegepersonen
Das Potenzial, das im Lernort „Mahlzeiten“ steckt, auszuschöpfen, erfordert keine ausgeklügelte Extra-Planung seitens Kindertagespflegepersonen. Denn bereits rund um die Mahlzeitensituationen findet Ernährungsbildung informell statt, spielerisch und nebenbei. Allein durch ihr unterstützendes Verhalten, zum Beispiel in Form von Tischgesprächen, kann die Kindertagespflegeperson Kompetenzerweiterung der Kinder in puncto Ernährungs- bzw. Alltagskompetenzen fördern. Formale Ernährungsbildung ergänzt und bereichert die Anlässe, bei denen sich Kinder weiterentwickeln können.
Im Gespräch mit Erziehungsberechtigten
Über das pädagogische Konzept bzw. das Verpflegungskonzept und auch im Kennenlerngespräch können Erziehungsberechtigte Informationen zur Ausgestaltung von Ernährungsbildung der Kindertagespflegeperson erhalten. Aufgrund der zunehmenden wöchentlichen Betreuungszeit finden bis zu 15 Mahlzeiten, und damit Bildungsanlässe, in der Kindertagespflegestelle statt – und flankieren so die Ernährungsbildung, die Zuhause stattfindet.
Ausführliche Informationen
(1) Ernährungsbildung am und rund um den Lern- und Lebensort Mahlzeiten
Lebensbegleitender Prozess | Bereits im Mutterleib findet frühkindliche Ernährungsbildung statt (siehe Essverhalten). Nach der Geburt wird sie im privaten Rahmen der Familie und begleitend im öffentlichen Raum der Kindertagesbetreuung geprägt. Durch Ernährungsbildung im Kindesalter kann ein sozialverträgliches und vor allem genussvolles Essverhalten begünstigt werden, das Bestandteil eines gesunden Lebensstils ist. Denn Ernährungsbildung an sich ist ein lebensbegleitender Lernprozess, der durch Erfahrungen und soziale Interaktionen von klein auf bis ins Alter beeinflusst wird.
Entwicklungsförderung | In der Kindertagesbetreuung werden Kinder in ihrer körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Entwicklung gefördert. Dabei spielt Ernährungsbildung eine große Rolle. In vielfältiger Art und Weise macht sie Essen und Trinken erlebbar. Verknüpfungen werden hergestellt, zum Beispiel zwischen sinnlichen Erfahrungen wie riechen, schmecken, fühlen und der Wahrnehmung des eigenen Hunger- und Sättigungsgefühls. Darüber hinaus können Zusammenhänge von der Herkunft eines Lebensmittels bis zu dessen Produktion, über bestimmte Kulturtechniken, Esskulturen und Tischsitten erlernt werden. Über Ernährungsbildung können außerdem zum Beispiel kognitive Fähigkeiten gefördert, Wortschatz und mathematisches Grundverständnis erweitert sowie ästhetische Bildung und Verständnis über Natur und Umwelt erreicht werden.
Entwicklung kognitiver Fähigkeiten | Aufmerksamkeit, Lernen, Planen, Orientieren und vieles mehr – küchenpraktische Tätigkeiten fordern Kinder heraus und fördern ihre kognitiven Fähigkeiten, denn sie machen eigene, vielfältige Erfahrungen.
Wortschatz | Sprache | Allein durch die Vielfalt der Lebensmittel und Speisen sowie durch Tätigkeiten rund um den Esstisch, erweitern Kinder ihren Wortschatz. Tischgespräche untereinander lehren sie, einander zuzuhören, und ein bebilderter Speiseplan, den Kinder auch „lesen“ können, regt sie zur Kommunikation an.
Mathematisches Grundverständnis | Viele Alltagssituationen rund um Essen und Trinken fördern das mathematische Grundverständnis von Kindern. Insbesondere wenn Speisen in durchsichtigen Schüsseln auf dem Esstisch stehen, können Kinder die abnehmende Menge darin beobachten und lernen zum Beispiel Mengen- und Größenvergleiche anzustellen. Bei gemeinsamen Koch- und Backaktionen können sie zudem Erfahrungen mit Maßeinheiten sammeln, und beim Decken des Esstisches für die ganze Gruppe erkunden sie den Zahlenraum, indem sie Geschirr für alle abzählen.
Ästhetische Bildung | Egal, ob sie Tische passend zur Jahreszeit oder zu einem Ereignis wie dem Geburtstag eines Kindes eindecken, bei gemeinsamen Koch- und Backaktionen mit verschiedenen Konsistenzen von Lebensmitteln/ Speisen in Kontakt kommen, oder ein Bild mittels Kartoffelstempeln und Apfeldruck kreieren: Kinder entwickeln sich durch solche sinnlichen Erfahrungen weiter.
Lebenspraktische Kompetenzen | Lebenspraktische Kompetenzen von Kindern werden beispielsweise bei gemeinsamen Einkäufen und Koch- und Backaktionen gefördert, bei denen sie eine Tätigkeit ausführen dürfen. Auch das eigenständige Auftun, das Einschätzen der passenden Portionsgröße und das Auswählen einer Speise aus einem Angebot, sind lebenspraktische Kompetenzen, die es zu fördern gilt.
Mahlzeiten bieten sich als idealer und vielfältiger Lernort an, den es sich bei der Umsetzung der vom Bildungsministerium vorgegebenen Ziele zu nutzen lohnt. Wie Ernährungsbildung von Kindertagespflegepersonen gestaltet wird, können sie individuell in ihrem pädagogischen Konzept festhalten und eng mit ihrem Verpflegungskonzept (siehe Verpflegungskonzept) verknüpfen. Viel Aufwand ist in der Regel nicht erforderlich, denn tagtäglich nehmen Essen und Trinken (Vorbereitung, Zubereitung, Nachbereitung) zeitlich viel Raum in der Betreuung ein.
Alltägliche Ernährungsbildung | Die informelle Ernährungsbildung umfasst alle Aspekte der sich im Alltag ergebenden Lernanreize, die ohne „Lehrplan“ und konkretes Ziel auskommen. Sie findet nebenbei statt, sowohl in der Kindertagesbetreuung als auch Zuhause. Bereits das Verhalten der Kindertagespflegeperson während der Mahlzeiten beeinflusst, was Kinder nachahmen bzw. lernen und wie sie ihre eigenen Handlungen ausführen. Informelle Ernährungsbildung lässt sich, je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes, zum Beispiel auch beobachten beim:
- Rühren von Quark und Schneiden von Gemüse und Obst
- Transportieren des Geschirrs zum Tisch und Decken des Tisches
- Händewaschen vor Beginn der Mahlzeiten
- Sinnlichen Erfahren von Lebensmitteln
Es lohnt sich, Kinder entwicklungsentsprechend in Vor-, Zu- und Nachbereitung einzubinden (siehe Kompetenzen | Regeln und Rituale). Sie können angeregt werden, sich mit dem Thema Essen und Trinken selbstständig zu befassen, zum Beispiel durch:
- Einen Kaufmannsladen als Spielgelegenheit
- Eine Kinderküche drinnen wie draußen
Unbedingt gebraucht wird solches Spielmobiliar jedoch nicht. Denn Kinder spielen einen (Puppen-)Kaffeeklatsch, einen Restaurantbesuch, eine Bäckerei und vieles mehr auch mit Alltagsmaterialien nach und beziehen spontan Elemente wie Pfützen, Blätter und Sand mit ein und erwerben dabei wertvolle Erkenntnisse, Fähigkeiten und auch Fertigkeiten.
Geplante Ernährungsbildung | Die formale Ernährungsbildung ist geplant, strukturiert und zielgerichtet. Die Kindertagespflegeperson schafft bewusst Lernanlässe bzw. -anreize für Kinder, um Kompetenzen zu fördern. Im Kleinkindbereich sind sie erlebnisorientiert ausgerichtet. Das kann in Form von Spielen, Experimenten und Projekten sein:
- (Finger-)Spiele, Aufdeckkarten und Bilderbücher mit Ernährungsbezug
- Wimmel- und Ausmalbilder
- Ernährungsbezogene Lieder im Morgenkreis oder als Tischritual
- Gemeinsames Aussäen von Gemüse oder Kräutern
- Gärtnern und Ernten, zum Beispiel im eigenen Garten, auf Streuobstwiesen, Erdbeerfeldern, …
- Gemeinsame Back- und Kochaktionen
- Ausflüge zum Wochenmarkt oder auf einen Bauernhof als besondere Erlebnisse
(2) Bildungsanlässe schaffen – Material und Anregungen (Ausschnitt)
Diverse Materialien verschiedener anbieterunabhängiger Akteure können Kindertagespflegepersonen Anregungen und Unterstützung beim Planen formaler Ernährungsbildung geben. Für Tischrituale, -sprüche und Tischlieder (siehe Regeln und Rituale).
Stand: 11/2024
Quellen
- Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (Hrsg. | 2024): Was ist Ernährungsbildung?; zuletzt geprüft am 16.08.2024
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2023): DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Kitas. 6. Auflage, 2. korrigierter und aktualisierter Nachdruck. Bonn
- Heinis, M. (2022): Essen und Ernährung in der Kindertagespflege. Deutsches Jugendinstitut, München
- Bundeszentrum für Ernährung (2022): Ernährungsbildung wird zum Top-Trend; zuletzt geprüft am 16.08.2024
- Bundeszentrum für Ernährung (2022): Ernährungsbildung in der Kindertagespflege; zuletzt geprüft am 16.08.2024
- Niedersächsisches Kultusministerium (2018): Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder
- Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und aid infodienst (Hrsg. | 2017): Esspedition Kita. Ernährungsbildung für die Praxis. 8., völlig überarbeitete Auflage. Stuttgart/ Bonn
- Methfessel, B. et al. (2016): Essen und Ernährungsbildung in der Kita. Entwicklung – Versorgung – Bildung. Kohlhammer, Stuttgart
- Bartsch, S. et al. (2013): Ernährungsbildung – Standort und Perspektiven. Ernährungs Umschau, 2, M84-M95. DOI: 10.4455/eu.2013.007
- Nationales Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule: Ernährungsbildung in der Kita;